Meine Herren, er antwortete im Grunde nichts, vielleicht wu?te er wirklich nichts, er hatte mich verhaftet und war damit zufrieden. Er hat sogar noch ein ?briges getan und in das Zimmer jener Dame drei niedrige Angestellte meiner Bank gebracht, die sich damit besch?ftigten, Photographien, Eigentum der Dame, zu betasten und in Unordnung zu bringen. Die Anwesenheit dieser Angestellten hatte nat?rlich noch einen andern Zweck, sie sollten, ebenso wie meine Vermieterin und ihr Dienstm?dchen, die Nachricht von meiner Verhaftung verbreiten, mein ?ffentliches Ansehen sch?digen und insbesondere in der Bank meine Stellung ersch?ttern. Nun ist nichts davon, auch nicht im geringsten, gelungen, selbst meine Vermieterin, eine ganz einfache Person – ich will ihren Namen hier in ehrendem Sinne nennen, sie hei?t Frau Grubach –, selbst Frau Grubach war verst?ndig genug, einzusehen, da? eine solche Verhaftung nicht mehr bedeutet, als einen Anschlag, den nicht gen?gend beaufsichtigte Jungen auf der Gasse ausf?hren. Ich wiederhole, mir hat das Ganze nur Unannehmlichkeiten und vor?bergehenden ?rger bereitet, h?tte es aber nicht auch schlimmere Folgen haben k?nnen?«
Als K. sich hier unterbrach und nach dem stillen Untersuchungsrichter hinsah, glaubte er zu bemerken, da? dieser gerade mit einem Blick jemandem in der Menge ein Zeichen gab. K. l?chelte und sagte: »Eben gibt hier neben mir der Herr Untersuchungsrichter jemandem von Ihnen ein geheimes Zeichen. Es sind also Leute unter Ihnen, die von hier oben dirigiert werden. Ich wei? nicht, ob das Zeichen jetzt Zischen oder Beifall bewirken sollte, und verzichte dadurch, da? ich die Sache vorzeitig verrate, ganz bewu?t darauf, die Bedeutung des Zeichens zu erfahren. Es ist mir vollst?ndig gleichg?ltig, und ich erm?chtige den Herrn Untersuchungsrichter ?ffentlich, seine bezahlten Angestellten dort unten, statt mit geheimen Zeichen, laut mit Worten zu befehligen, indem er etwa einmal sagt: ›Jetzt zischt!‹ und das n?chste Mal: ›Jetzt klatscht!‹«
In Verlegenheit oder Ungeduld r?ckte der Untersuchungsrichter auf seinem Sessel hin und her. Der Mann hinter ihm, mit dem er sich schon fr?her unterhalten hatte, beugte sich wieder zu ihm, sei es, um ihm im allgemeinen Mut zuzusprechen oder um ihm einen besonderen Rat zu geben. Unten unterhielten sich die Leute leise, aber lebhaft. Die zwei Parteien, die fr?her so entgegengesetzte Meinungen gehabt zu haben schienen, vermischten sich, einzelne Leute zeigten mit dem Finger auf K., andere auf den Untersuchungsrichter. Der neblige Dunst im Zimmer war ?u?erst l?stig, er verhinderte sogar eine genauere Beobachtung der Fernerstehenden. Besonders f?r die Galeriebesucher mu?te er st?rend sein, sie waren gezwungen, allerdings unter scheuen Seitenblicken nach dem Untersuchungsrichter, leise Fragen an die Versammlungsteilnehmer zu stellen, um sich n?her zu unterrichten. Die Antworten wurden im Schutz der vorgehaltenen H?nde ebenso leise gegeben.
»Ich bin gleich zu Ende«, sagte K. und schlug, da keine Glocke vorhanden war, mit der Faust auf den Tisch; im Schrecken dar?ber fuhren die K?pfe des Untersuchungsrichters und seines Ratgebers augenblicklich auseinander: »Mir steht die ganze Sache fern, ich beurteile sie daher ruhig, und Sie k?nnen, vorausgesetzt, da? Ihnen an diesem angeblichen Gericht etwas gelegen ist, gro?en Vorteil davon haben, wenn Sie mir zuh?ren. Ihre gegenseitigen Besprechungen dessen, was ich vorbringe, bitte ich Sie f?r sp?terhin zu verschieben, denn ich habe keine Zeit und werde bald weggehen.«
Sofort war es still, so sehr beherrschte K. schon die Versammlung. Man schrie nicht mehr durcheinander wie am Anfang, man klatschte nicht einmal mehr Beifall, aber man schien schon ?berzeugt oder auf dem n?chsten Wege dazu.
»Es ist kein Zweifel«, sagte K. sehr leise, denn ihn freute das angespannte Aufhorchen der ganzen Versammlung, in dieser Stille entstand ein Sausen, das aufreizender war als der verz?ckteste Beifall, »es ist kein Zweifel, da? hinter allen ?u?erungen dieses Gerichtes, in meinem Fall also hinter der Verhaftung und der heutigen Untersuchung, eine gro?e Organisation sich befindet. Eine Organisation, die nicht nur bestechliche W?chter, l?ppische Aufseher und Untersuchungsrichter, die g?nstigsten Falles bescheiden sind, besch?ftigt, sondern die weiterhin jedenfalls eine Richterschaft hohen und h?chsten Grades unterh?lt, mit dem zahllosen, unumg?nglichen Gefolge von Dienern, Schreibern, Gendarmen und anderen Hilfskr?ften, vielleicht sogar Henkern, ich scheue vor dem Wort nicht zur?ck. Und der Sinn dieser gro?en Organisation, meine Herren? Er besteht darin, da? unschuldige Personen verhaftet werden und gegen sie ein sinnloses und meistens, wie in meinem Fall, ergebnisloses Verfahren eingeleitet wird. Wie lie?e sich bei dieser Sinnlosigkeit des Ganzen die schlimmste Korruption der Beamtenschaft vermeiden? Das ist unm?glich, das br?chte auch der h?chste Richter nicht einmal f?r sich selbst zustande. Darum suchen die W?chter den Verhafteten die Kleider vom Leib zu stehlen, darum brechen Aufseher in fremde Wohnungen ein, darum sollen Unschuldige, statt verh?rt, lieber vor ganzen Versammlungen entw?rdigt werden. Die W?chter haben nur von Depots erz?hlt, in die man das Eigentum der Verhafteten bringt, ich wollte einmal diese Depotpl?tze sehen, in denen das m?hsam erarbeitete Verm?gen der Verhafteten fault, soweit es nicht von diebischen Depotbeamten gestohlen ist.« K. wurde durch ein Kreischen vom Saalende unterbrochen, er beschattete die Augen, um hinsehen zu k?nnen, denn das tr?be Tageslicht machte den Dunst wei?lich und blendete. Es handelte sich um die Waschfrau, die K. gleich bei ihrem Eintritt als eine wesentliche St?rung erkannt hatte. Ob sie jetzt schuldig war oder nicht, konnte man nicht erkennen. K. sah nur, da? ein Mann sie in einen Winkel bei der T?r gezogen hatte und dort an sich dr?ckte. Aber nicht sie kreischte, sondern der Mann, er hatte den Mund breit gezogen und blickte zur Decke. Ein kleiner Kreis hatte sich um beide gebildet, die Galeriebesucher in der N?he schienen dar?ber begeistert, da? der Ernst, den K. in die Versammlung eingef?hrt hatte, auf diese Weise unterbrochen wurde. K. wollte unter dem ersten Eindruck gleich hinlaufen, auch dachte er, allen w?rde daran gelegen sein, dort Ordnung zu schaffen und zumindest das Paar aus dem Saal zu weisen, aber die ersten Reihen vor ihm blieben ganz fest, keiner r?hrte sich, und keiner lie? K. durch. Im Gegenteil, man hinderte ihn, alte M?nner hielten den Arm vor, und irgendeine Hand – er hatte nicht Zeit, sich umzudrehen – fa?te ihn hinten am Kragen. K. dachte nicht eigentlich mehr an das Paar, ihm war, als werde seine Freiheit eingeschr?nkt, als mache man mit der Verhaftung ernst, und er sprang r?cksichtslos vom Podium hinunter. Nun stand er Aug in Aug dem Gedr?nge gegen?ber. Hatte er die Leute richtig beurteilt? Hatte er seiner Rede zuviel Wirkung zugetraut? Hatte man sich verstellt, solange er gesprochen hatte, und hatte man jetzt, da er zu den Schlu?folgerungen kam, die Verstellung satt? Was f?r Gesichter rings um ihn! Kleine, schwarze ?uglein huschten hin und her, die Wangen hingen herab, wie bei Versoffenen, die langen B?rte waren steif und sch?tter, und griff man in sie, so war es, als bilde man blo? Krallen, nicht als griffe man in B?rte. Unter den B?rten aber – und das war die eigentliche Entdeckung, die K. machte – schimmerten am Rockkragen Abzeichen in verschiedener Gr??e und Farbe. Alle hatten diese Abzeichen, soweit man sehen konnte. Alle geh?rten zueinander, die scheinbaren Parteien rechts und links, und als er sich pl?tzlich umdrehte, sah er die gleichen Abzeichen am Kragen des Untersuchungsrichters, der, die H?nde im Scho?, ruhig hinuntersah. »So«, rief K. und warf die Arme in die H?he, die pl?tzliche Erkenntnis wollte Raum, »ihr seid ja alle Beamte, wie ich sehe, ihr seid ja die korrupte Bande, gegen die ich sprach, ihr habt euch hier gedr?ngt, als Zuh?rer und Schn?ffler, habt scheinbare Parteien gebildet, und eine hat applaudiert, um mich zu pr?fen, ihr wolltet lernen, wie man Unschuldige verf?hren soll! Nun, ihr seid nicht nutzlos hier gewesen, hoffe ich, entweder habt ihr euch dar?ber unterhalten, da? jemand die Verteidigung der Unschuld von euch erwartet hat, oder aber – la? mich oder ich schlage«, rief K. einem zitternden Greis zu, der sich besonders nahe an ihn geschoben hatte – »oder aber ihr habt wirklich etwas gelernt. Und damit w?nsche ich euch Gl?ck zu euerem Gewerbe.« Er nahm schnell seinen Hut, der am Rande des Tisches lag, und dr?ngte sich unter allgemeiner Stille, jedenfalls der Stille vollkommenster ?berraschung, zum Ausgang. Der Untersuchungsrichter schien aber noch schneller als K. gewesen zu sein, denn er erwartete ihn bei der T?r. »Einen Augenblick«, sagte er. K. blieb stehen, sah aber nicht auf den Untersuchungsrichter, sondern auf die T?r, deren Klinke er schon ergriffen hatte. »Ich wollte Sie nur darauf aufmerksam machen«, sagte der Untersuchungsrichter, »da? Sie sich heute – es d?rfte Ihnen noch nicht zu Bewu?tsein gekommen sein – des Vorteils beraubt haben, den ein Verh?r f?r den Verhafteten in jedem Falle bedeutet.« K. lachte die T?r an. »Ihr Lumpen«, rief er, »ich schenke euch alle Verh?re«, ?ffnete die T?r und eilte die Treppe hinunter. Hinter ihm erhob sich der L?rm der wieder lebendig gewordenen Versammlung, welche die Vorf?lle wahrscheinlich nach Art von Studierenden zu besprechen begann.
Drittes KapitelIm leeren Sitzungssaal, der Student, die Kanzleien
K. wartete w?hrend der n?chsten Woche von Tag zu Tag auf eine neuerliche Verst?ndigung, er konnte nicht glauben, da? man seinen Verzicht auf Verh?re w?rtlich genommen hatte, und als die erwartete Verst?ndigung bis Samstagabend wirklich nicht kam, nahm er an, er sei stillschweigend in das gleiche Haus f?r die gleiche Zeit wieder vorgeladen. Er begab sich daher Sonntags wieder hin, ging diesmal geradewegs ?ber Treppen und G?nge; einige Leute, die sich seiner erinnerten, gr??ten ihn an ihren T?ren, aber er mu?te niemanden mehr fragen und kam bald zu der richtigen T?r. Auf sein Klopfen wurde ihm gleich aufgemacht, und ohne sich weiter nach der bekannten Frau umzusehen, die bei der T?r stehenblieb, wollte er gleich ins Nebenzimmer. »Heute ist keine Sitzung«, sagte die Frau. »Warum sollte keine Sitzung sein?« fragte er und wollte es nicht glauben. Aber die Frau ?berzeugte ihn, indem sie die T?r des Nebenzimmers ?ffnete. Es war wirklich leer und sah in seiner Leere noch kl?glicher aus als am letzten Sonntag. Auf dem Tisch, der unver?ndert auf dem Podium stand, lagen einige B?cher. »Kann ich mir die B?cher anschauen?« fragte K., nicht aus besonderer Neugierde, sondern nur, um nicht vollst?ndig nutzlos hier gewesen zu sein. »Nein«, sagte die Frau und schlo? wieder die T?r, »das ist nicht erlaubt. Die B?cher geh?ren dem Untersuchungsrichter.« »Ach so«, sagte K. und nickte, »die B?cher sind wohl Gesetzb?cher, und es geh?rt zu der Art dieses Gerichtswesens, da? man nicht nur unschuldig, sondern auch unwissend verurteilt wird.« »Es wird so sein«, sagte die Frau, die ihn nicht genau verstanden hatte. »Nun, dann gehe ich wieder«, sagte K. »Soll ich dem Untersuchungsrichter etwas melden?« fragte die Frau. »Sie kennen ihn?« fragte K. »Nat?rlich«, sagte die Frau, »mein Mann ist ja Gerichtsdiener.« Erst jetzt merkte K., da? das Zimmer, in dem letzthin nur ein Waschbottich gestanden war, jetzt ein v?llig eingerichtetes Wohnzimmer bildete. Die Frau bemerkte sein Staunen und sagte: »Ja, wir haben hier freie Wohnung, m?ssen aber an Sitzungstagen das Zimmer ausr?umen. Die Stellung meines Mannes hat manche Nachteile.« »Ich staune nicht so sehr ?ber das Zimmer«, sagte K. und blickte sie b?se an, »als vielmehr dar?ber, da? Sie verheiratet sind.« »Spielen Sie vielleicht auf den Vorfall in der letzten Sitzung an, durch den ich Ihre Rede st?rte?« fragte die Frau. »Nat?
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Als K. sich hier unterbrach und nach dem stillen Untersuchungsrichter hinsah, glaubte er zu bemerken, da? dieser gerade mit einem Blick jemandem in der Menge ein Zeichen gab. K. l?chelte und sagte: »Eben gibt hier neben mir der Herr Untersuchungsrichter jemandem von Ihnen ein geheimes Zeichen. Es sind also Leute unter Ihnen, die von hier oben dirigiert werden. Ich wei? nicht, ob das Zeichen jetzt Zischen oder Beifall bewirken sollte, und verzichte dadurch, da? ich die Sache vorzeitig verrate, ganz bewu?t darauf, die Bedeutung des Zeichens zu erfahren. Es ist mir vollst?ndig gleichg?ltig, und ich erm?chtige den Herrn Untersuchungsrichter ?ffentlich, seine bezahlten Angestellten dort unten, statt mit geheimen Zeichen, laut mit Worten zu befehligen, indem er etwa einmal sagt: ›Jetzt zischt!‹ und das n?chste Mal: ›Jetzt klatscht!‹«
In Verlegenheit oder Ungeduld r?ckte der Untersuchungsrichter auf seinem Sessel hin und her. Der Mann hinter ihm, mit dem er sich schon fr?her unterhalten hatte, beugte sich wieder zu ihm, sei es, um ihm im allgemeinen Mut zuzusprechen oder um ihm einen besonderen Rat zu geben. Unten unterhielten sich die Leute leise, aber lebhaft. Die zwei Parteien, die fr?her so entgegengesetzte Meinungen gehabt zu haben schienen, vermischten sich, einzelne Leute zeigten mit dem Finger auf K., andere auf den Untersuchungsrichter. Der neblige Dunst im Zimmer war ?u?erst l?stig, er verhinderte sogar eine genauere Beobachtung der Fernerstehenden. Besonders f?r die Galeriebesucher mu?te er st?rend sein, sie waren gezwungen, allerdings unter scheuen Seitenblicken nach dem Untersuchungsrichter, leise Fragen an die Versammlungsteilnehmer zu stellen, um sich n?her zu unterrichten. Die Antworten wurden im Schutz der vorgehaltenen H?nde ebenso leise gegeben.
»Ich bin gleich zu Ende«, sagte K. und schlug, da keine Glocke vorhanden war, mit der Faust auf den Tisch; im Schrecken dar?ber fuhren die K?pfe des Untersuchungsrichters und seines Ratgebers augenblicklich auseinander: »Mir steht die ganze Sache fern, ich beurteile sie daher ruhig, und Sie k?nnen, vorausgesetzt, da? Ihnen an diesem angeblichen Gericht etwas gelegen ist, gro?en Vorteil davon haben, wenn Sie mir zuh?ren. Ihre gegenseitigen Besprechungen dessen, was ich vorbringe, bitte ich Sie f?r sp?terhin zu verschieben, denn ich habe keine Zeit und werde bald weggehen.«
Sofort war es still, so sehr beherrschte K. schon die Versammlung. Man schrie nicht mehr durcheinander wie am Anfang, man klatschte nicht einmal mehr Beifall, aber man schien schon ?berzeugt oder auf dem n?chsten Wege dazu.
»Es ist kein Zweifel«, sagte K. sehr leise, denn ihn freute das angespannte Aufhorchen der ganzen Versammlung, in dieser Stille entstand ein Sausen, das aufreizender war als der verz?ckteste Beifall, »es ist kein Zweifel, da? hinter allen ?u?erungen dieses Gerichtes, in meinem Fall also hinter der Verhaftung und der heutigen Untersuchung, eine gro?e Organisation sich befindet. Eine Organisation, die nicht nur bestechliche W?chter, l?ppische Aufseher und Untersuchungsrichter, die g?nstigsten Falles bescheiden sind, besch?ftigt, sondern die weiterhin jedenfalls eine Richterschaft hohen und h?chsten Grades unterh?lt, mit dem zahllosen, unumg?nglichen Gefolge von Dienern, Schreibern, Gendarmen und anderen Hilfskr?ften, vielleicht sogar Henkern, ich scheue vor dem Wort nicht zur?ck. Und der Sinn dieser gro?en Organisation, meine Herren? Er besteht darin, da? unschuldige Personen verhaftet werden und gegen sie ein sinnloses und meistens, wie in meinem Fall, ergebnisloses Verfahren eingeleitet wird. Wie lie?e sich bei dieser Sinnlosigkeit des Ganzen die schlimmste Korruption der Beamtenschaft vermeiden? Das ist unm?glich, das br?chte auch der h?chste Richter nicht einmal f?r sich selbst zustande. Darum suchen die W?chter den Verhafteten die Kleider vom Leib zu stehlen, darum brechen Aufseher in fremde Wohnungen ein, darum sollen Unschuldige, statt verh?rt, lieber vor ganzen Versammlungen entw?rdigt werden. Die W?chter haben nur von Depots erz?hlt, in die man das Eigentum der Verhafteten bringt, ich wollte einmal diese Depotpl?tze sehen, in denen das m?hsam erarbeitete Verm?gen der Verhafteten fault, soweit es nicht von diebischen Depotbeamten gestohlen ist.« K. wurde durch ein Kreischen vom Saalende unterbrochen, er beschattete die Augen, um hinsehen zu k?nnen, denn das tr?be Tageslicht machte den Dunst wei?lich und blendete. Es handelte sich um die Waschfrau, die K. gleich bei ihrem Eintritt als eine wesentliche St?rung erkannt hatte. Ob sie jetzt schuldig war oder nicht, konnte man nicht erkennen. K. sah nur, da? ein Mann sie in einen Winkel bei der T?r gezogen hatte und dort an sich dr?ckte. Aber nicht sie kreischte, sondern der Mann, er hatte den Mund breit gezogen und blickte zur Decke. Ein kleiner Kreis hatte sich um beide gebildet, die Galeriebesucher in der N?he schienen dar?ber begeistert, da? der Ernst, den K. in die Versammlung eingef?hrt hatte, auf diese Weise unterbrochen wurde. K. wollte unter dem ersten Eindruck gleich hinlaufen, auch dachte er, allen w?rde daran gelegen sein, dort Ordnung zu schaffen und zumindest das Paar aus dem Saal zu weisen, aber die ersten Reihen vor ihm blieben ganz fest, keiner r?hrte sich, und keiner lie? K. durch. Im Gegenteil, man hinderte ihn, alte M?nner hielten den Arm vor, und irgendeine Hand – er hatte nicht Zeit, sich umzudrehen – fa?te ihn hinten am Kragen. K. dachte nicht eigentlich mehr an das Paar, ihm war, als werde seine Freiheit eingeschr?nkt, als mache man mit der Verhaftung ernst, und er sprang r?cksichtslos vom Podium hinunter. Nun stand er Aug in Aug dem Gedr?nge gegen?ber. Hatte er die Leute richtig beurteilt? Hatte er seiner Rede zuviel Wirkung zugetraut? Hatte man sich verstellt, solange er gesprochen hatte, und hatte man jetzt, da er zu den Schlu?folgerungen kam, die Verstellung satt? Was f?r Gesichter rings um ihn! Kleine, schwarze ?uglein huschten hin und her, die Wangen hingen herab, wie bei Versoffenen, die langen B?rte waren steif und sch?tter, und griff man in sie, so war es, als bilde man blo? Krallen, nicht als griffe man in B?rte. Unter den B?rten aber – und das war die eigentliche Entdeckung, die K. machte – schimmerten am Rockkragen Abzeichen in verschiedener Gr??e und Farbe. Alle hatten diese Abzeichen, soweit man sehen konnte. Alle geh?rten zueinander, die scheinbaren Parteien rechts und links, und als er sich pl?tzlich umdrehte, sah er die gleichen Abzeichen am Kragen des Untersuchungsrichters, der, die H?nde im Scho?, ruhig hinuntersah. »So«, rief K. und warf die Arme in die H?he, die pl?tzliche Erkenntnis wollte Raum, »ihr seid ja alle Beamte, wie ich sehe, ihr seid ja die korrupte Bande, gegen die ich sprach, ihr habt euch hier gedr?ngt, als Zuh?rer und Schn?ffler, habt scheinbare Parteien gebildet, und eine hat applaudiert, um mich zu pr?fen, ihr wolltet lernen, wie man Unschuldige verf?hren soll! Nun, ihr seid nicht nutzlos hier gewesen, hoffe ich, entweder habt ihr euch dar?ber unterhalten, da? jemand die Verteidigung der Unschuld von euch erwartet hat, oder aber – la? mich oder ich schlage«, rief K. einem zitternden Greis zu, der sich besonders nahe an ihn geschoben hatte – »oder aber ihr habt wirklich etwas gelernt. Und damit w?nsche ich euch Gl?ck zu euerem Gewerbe.« Er nahm schnell seinen Hut, der am Rande des Tisches lag, und dr?ngte sich unter allgemeiner Stille, jedenfalls der Stille vollkommenster ?berraschung, zum Ausgang. Der Untersuchungsrichter schien aber noch schneller als K. gewesen zu sein, denn er erwartete ihn bei der T?r. »Einen Augenblick«, sagte er. K. blieb stehen, sah aber nicht auf den Untersuchungsrichter, sondern auf die T?r, deren Klinke er schon ergriffen hatte. »Ich wollte Sie nur darauf aufmerksam machen«, sagte der Untersuchungsrichter, »da? Sie sich heute – es d?rfte Ihnen noch nicht zu Bewu?tsein gekommen sein – des Vorteils beraubt haben, den ein Verh?r f?r den Verhafteten in jedem Falle bedeutet.« K. lachte die T?r an. »Ihr Lumpen«, rief er, »ich schenke euch alle Verh?re«, ?ffnete die T?r und eilte die Treppe hinunter. Hinter ihm erhob sich der L?rm der wieder lebendig gewordenen Versammlung, welche die Vorf?lle wahrscheinlich nach Art von Studierenden zu besprechen begann.
Drittes KapitelIm leeren Sitzungssaal, der Student, die Kanzleien
K. wartete w?hrend der n?chsten Woche von Tag zu Tag auf eine neuerliche Verst?ndigung, er konnte nicht glauben, da? man seinen Verzicht auf Verh?re w?rtlich genommen hatte, und als die erwartete Verst?ndigung bis Samstagabend wirklich nicht kam, nahm er an, er sei stillschweigend in das gleiche Haus f?r die gleiche Zeit wieder vorgeladen. Er begab sich daher Sonntags wieder hin, ging diesmal geradewegs ?ber Treppen und G?nge; einige Leute, die sich seiner erinnerten, gr??ten ihn an ihren T?ren, aber er mu?te niemanden mehr fragen und kam bald zu der richtigen T?r. Auf sein Klopfen wurde ihm gleich aufgemacht, und ohne sich weiter nach der bekannten Frau umzusehen, die bei der T?r stehenblieb, wollte er gleich ins Nebenzimmer. »Heute ist keine Sitzung«, sagte die Frau. »Warum sollte keine Sitzung sein?« fragte er und wollte es nicht glauben. Aber die Frau ?berzeugte ihn, indem sie die T?r des Nebenzimmers ?ffnete. Es war wirklich leer und sah in seiner Leere noch kl?glicher aus als am letzten Sonntag. Auf dem Tisch, der unver?ndert auf dem Podium stand, lagen einige B?cher. »Kann ich mir die B?cher anschauen?« fragte K., nicht aus besonderer Neugierde, sondern nur, um nicht vollst?ndig nutzlos hier gewesen zu sein. »Nein«, sagte die Frau und schlo? wieder die T?r, »das ist nicht erlaubt. Die B?cher geh?ren dem Untersuchungsrichter.« »Ach so«, sagte K. und nickte, »die B?cher sind wohl Gesetzb?cher, und es geh?rt zu der Art dieses Gerichtswesens, da? man nicht nur unschuldig, sondern auch unwissend verurteilt wird.« »Es wird so sein«, sagte die Frau, die ihn nicht genau verstanden hatte. »Nun, dann gehe ich wieder«, sagte K. »Soll ich dem Untersuchungsrichter etwas melden?« fragte die Frau. »Sie kennen ihn?« fragte K. »Nat?rlich«, sagte die Frau, »mein Mann ist ja Gerichtsdiener.« Erst jetzt merkte K., da? das Zimmer, in dem letzthin nur ein Waschbottich gestanden war, jetzt ein v?llig eingerichtetes Wohnzimmer bildete. Die Frau bemerkte sein Staunen und sagte: »Ja, wir haben hier freie Wohnung, m?ssen aber an Sitzungstagen das Zimmer ausr?umen. Die Stellung meines Mannes hat manche Nachteile.« »Ich staune nicht so sehr ?ber das Zimmer«, sagte K. und blickte sie b?se an, »als vielmehr dar?ber, da? Sie verheiratet sind.« »Spielen Sie vielleicht auf den Vorfall in der letzten Sitzung an, durch den ich Ihre Rede st?rte?« fragte die Frau. »Nat?
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