ТВОРЧЕСТВО

ПОЗНАНИЕ

А  Б  В  Г  Д  Е  Ж  З  И  Й  К  Л  М  Н  О  П  Р  С  Т  У  Ф  Х  Ц  Ч  Ш  Щ  Э  Ю  Я  AZ

 

»Ich habe nach einem Tischler, einem gewissen Lanz, gefragt?« »Ja«, sagte die Frau, »gehen Sie, bitte, hinein.« K. h?tte ihr vielleicht nicht gefolgt, wenn die Frau nicht auf ihn zugegangen w?re, die T?rklinke ergriffen und gesagt h?tte: »Nach Ihnen mu? ich schlie?en, es darf niemand mehr hinein.« »Sehr vern?nftig«, sagte K., »es ist aber jetzt schon zu voll.« Dann ging er aber doch wieder hinein.
Zwischen zwei M?nnern hindurch, die sich unmittelbar bei der T?r unterhielten – der eine machte mit beiden, weit vorgestreckten H?nden die Bewegung des Geldaufz?hlens, der andere sah ihm scharf in die Augen –, fa?te eine Hand nach K. Es war ein kleiner, rotb?ckiger Junge. »Kommen Sie, kommen Sie«, sagte er. K. lie? sich von ihm f?hren, es zeigte sich, da? in dem durcheinanderwimmelnden Gedr?nge doch ein schmaler Weg frei war, der m?glicherweise zwei Parteien schied; daf?r sprach auch, da? K. in den ersten Reihen rechts und links kaum ein ihm zugewendetes Gesicht sah, sondern nur die R?cken von Leuten, welche ihre Reden und Bewegungen nur an Leute ihrer Partei richteten. Die meisten waren schwarz angezogen, in alten, lang und lose hinunterh?ngenden Feiertagsr?cken. Nur diese Kleidung beirrte K., sonst h?tte er das Ganze f?r eine politische Bezirksversammlung angesehen.
Am anderen Ende des Saales, zu dem K. gef?hrt wurde, stand auf einem sehr niedrigen, gleichfalls ?berf?llten Podium ein kleiner Tisch, der Quere nach aufgestellt, und hinter ihm, nahe am Rand des Podiums, sa? ein kleiner, dicker, schnaufender Mann, der sich gerade mit einem hinter ihm Stehenden – dieser hatte den Ellbogen auf die Sessellehne gest?tzt und die Beine gekreuzt – unter gro?em Gel?chter unterhielt. Manchmal warf er den Arm in die Luft, als karikiere er jemanden. Der Junge, der K. f?hrte, hatte M?he, seine Meldung vorzubringen. Zweimal hatte er schon, auf den Fu?spitzen stehend, etwas auszurichten versucht, ohne von dem Mann oben beachtet worden zu sein. Erst als einer der Leute oben auf dem Podium auf den Jungen aufmerksam machte, wandte sich der Mann ihm zu und h?rte hinuntergebeugt seinen leisen Bericht an. Dann zog er seine Uhr und sah schnell nach K. hin. »Sie h?tten vor einer Stunde und f?nf Minuten erscheinen sollen«, sagte er. K. wollte etwas antworten, aber er hatte keine Zeit, denn kaum hatte der Mann ausgesprochen, erhob sich in der rechten Saalh?lfte ein allgemeines Murren. »Sie h?tten vor einer Stunde und f?nf Minuten erscheinen sollen«, wiederholte nun der Mann mit erhobener Stimme und sah nun auch schnell in den Saal hinunter. Sofort wurde auch das Murren st?rker und verlor sich, da der Mann nichts mehr sagte, nur allm?hlich. Es war jetzt im Saal viel stiller als bei K.s Eintritt. Nur die Leute auf der Galerie h?rten nicht auf, ihre Bemerkungen zu machen. Sie schienen, soweit man oben in dem Halbdunkel, Dunst und Staub etwas unterscheiden konnte, schlechter angezogen zu sein als die unten. Manche hatten Polster mitgebracht, die sie zwischen den Kopf und die Zimmerdecke gelegt hatten, um sich nicht wundzudr?cken.
K. hatte sich entschlossen, mehr zu beobachten als zu reden, infolgedessen verzichtete er auf die Verteidigung wegen seines angeblichen Zusp?tkommens und sagte blo?: »Mag ich zu sp?t gekommen sein, jetzt bin ich hier.« Ein Beifallklatschen, wieder aus der rechten Saalh?lfte, folgte. Leicht zu gewinnende Leute, dachte K. und war nur gest?rt durch die Stille in der linken Saalh?lfte, die gerade hinter ihm lag und aus der sich nur ganz vereinzeltes H?ndeklatschen erhoben hatte. Er dachte nach, was er sagen k?nnte, um alle auf einmal oder, wenn das nicht m?glich sein sollte, wenigstens zeitweilig auch die anderen zu gewinnen.
»Ja«, sagte der Mann, »aber ich bin nicht mehr verpflichtet, Sie jetzt zu verh?ren« – wieder das Murren, diesmal aber mi?verst?ndlich, denn der Mann fuhr, indem er den Leuten mit der Hand abwinkte, fort, – »ich will es jedoch ausnahmsweise heute noch tun. Eine solche Versp?tung darf sich aber nicht mehr wiederholen. Und nun treten Sie vor!« Irgend jemand sprang vom Podium hinunter, so da? f?r K. ein Platz frei wurde, auf den er hinaufstieg. Er stand eng an den Tisch gedr?ckt, das Gedr?nge hinter ihm war so gro?, da? er ihm Widerstand leisten mu?te, wollte er nicht den Tisch des Untersuchungsrichters und vielleicht auch diesen selbst vom Podium hinuntersto?en. Der Untersuchungsrichter k?mmerte sich aber nicht darum, sondern sa? recht bequem auf seinem Sessel und griff, nachdem er dem Mann hinter ihm ein abschlie?endes Wort gesagt hatte, nach einem kleinen Anmerkungsbuch, dem einzigen Gegenstand auf seinem Tisch. Es war schulheftartig, alt, durch vieles Bl?ttern ganz aus der Form gebracht. »Also«, sagte der Untersuchungsrichter, bl?tterte in dem Heft und wandte sich im Tone einer Feststellung an K., »Sie sind Zimmermaler?« »Nein«, sagte K., »sondern erster Prokurist einer gro?en Bank.« Dieser Antwort folgte bei der rechten Partei unten ein Gel?chter, das so herzlich war, da? K. mitlachen mu?te. Die Leute st?tzten sich mit den H?nden auf ihre Knie und sch?ttelten sich wie unter schweren Hustenanf?llen. Es lachten sogar einzelne auf der Galerie. Der ganz b?se gewordene Untersuchungsrichter, der wahrscheinlich gegen die Leute unten machtlos war, suchte sich an der Galerie zu entsch?digen, sprang auf, drohte der Galerie, und seine sonst wenig auffallenden Augenbrauen dr?ngten sich buschig, schwarz und gro? ?ber seinen Augen.
Die linke Saalh?lfte war aber noch immer still, die Leute standen dort in Reihen, hatten ihre Gesichter dem Podium zugewendet und h?rten den Worten, die oben gewechselt wurden, ebenso ruhig zu wie dem L?rm der anderen Partei, sie duldeten sogar, da? einzelne aus ihren Reihen mit der anderen Partei hie und da gemeinsam vorgingen. Die Leute der linken Partei, die ?brigens weniger zahlreich waren, mochten im Grunde ebenso unbedeutend sein wie die der rechten Partei, aber die Ruhe ihres Verhaltens lie? sie bedeutungsvoller erscheinen. Als K. jetzt zu reden begann, war er ?berzeugt, in ihrem Sinne zu sprechen.
»Ihre Frage, Herr Untersuchungsrichter, ob ich Zimmermaler bin – vielmehr, Sie haben gar nicht gefragt, sondern es mir auf den Kopf zugesagt –, ist bezeichnend f?r die ganze Art des Verfahrens, das gegen mich gef?hrt wird. Sie k?nnen einwenden, da? es ja ?berhaupt kein Verfahren ist, Sie haben sehr recht, denn es ist ja nur ein Verfahren, wenn ich es als solches anerkenne. Aber ich erkenne es also f?r den Augenblick jetzt an, aus Mitleid gewisserma?en. Man kann sich nicht anders als mitleidig dazu stellen, wenn man es ?berhaupt beachten will. Ich sage nicht, da? es ein liederliches Verfahren ist, aber ich m?chte Ihnen diese Bezeichnung zur Selbsterkenntnis angeboten haben.«
K. unterbrach sich und sah in den Saal hinunter. Was er gesagt hatte, war scharf, sch?rfer, als er es beabsichtigt hatte, aber doch richtig. Es h?tte Beifall hier oder dort verdient, es war jedoch alles still, man wartete offenbar gespannt auf das Folgende, es bereitete sich vielleicht in der Stille ein Ausbruch vor, der allem ein Ende machen w?rde. St?rend war es, da? sich jetzt die T?r am Saalende ?ffnete, die junge W?scherin, die ihre Arbeit wahrscheinlich beendet hatte, eintrat und trotz aller Vorsicht, die sie aufwendete, einige Blicke auf sich zog. Nur der Untersuchungsrichter machte K. unmittelbare Freude, denn er schien von den Worten sofort getroffen zu werden. Er hatte bisher stehend zugeh?rt, denn er war von K.s Ansprache ?berrascht worden, w?hrend er sich f?r die Galerie aufgerichtet hatte. Jetzt, in der Pause, setzte er sich allm?hlich, als sollte es nicht bemerkt werden. Wahrscheinlich um seine Miene zu beruhigen, nahm er wieder das Heftchen vor.
»Es hilft nichts«, fuhr K. fort, »auch Ihr Heftchen, Herr Untersuchungsrichter, best?tigt, was ich sage.« Zufrieden damit, nur seine ruhigen Worte in der fremden Versammlung zu h?ren, wagte es K. sogar, kurzerhand das Heft dem Untersuchungsrichter wegzunehmen und es mit den Fingerspitzen, als scheue er sich davor, an einem mittleren Blatte hochzuheben, so da? beiderseits die engbeschriebenen, fleckigen, gelbrandigen Bl?tter hinunterhingen. »Das sind die Akten des Untersuchungsrichters«, sagte er und lie? das Heft auf den Tisch hinunterfallen. »Lesen Sie darin ruhig weiter, Herr Untersuchungsrichter, vor diesem Schuldbuch f?rchte ich mich wahrhaftig nicht, obwohl es mir unzug?nglich ist, denn ich kann es nur mit zwei Fingern anfassen und w?rde es nicht in die Hand nehmen.« Es konnte nur ein Zeichen tiefer Dem?tigung sein oder es mu?te zumindest so aufgefa?t werden, da? der Untersuchungsrichter nach dem Heftchen, wie es auf den Tisch gefallen war, griff, es ein wenig in Ordnung zu bringen suchte und es wieder vornahm, um darin zu lesen.
Die Gesichter der Leute in der ersten Reihe waren so gespannt auf K. gerichtet, da? er ein Weilchen lang zu ihnen hinuntersah. Es waren durchwegs ?ltere M?nner, einige waren wei?b?rtig. Waren vielleicht sie die Entscheidenden, die die ganze Versammlung beeinflussen konnten, welche auch durch die Dem?tigung des Untersuchungsrichters sich nicht aus der Regungslosigkeit bringen lie?, in welche sie seit K.s Rede versunken war? »Was mir geschehen ist«, fuhr K. fort, etwas leiser als fr?her, und suchte immer wieder die Gesichter der ersten Reihe ab, was seiner Rede einen etwas fahrigen Ausdruck gab, »was mir geschehen ist, ist ja nur ein einzelner Fall und als solcher nicht sehr wichtig, da ich es nicht sehr schwer nehme, aber es ist das Zeichen eines Verfahrens, wie es gegen viele ge?bt wird. F?r diese stehe ich hier ein, nicht f?r mich.«
Er hatte unwillk?rlich seine Stimme erhoben. Irgendwo klatschte jemand mit erhobenen H?nden und rief: »Bravo! Warum denn nicht? Bravo! Und wieder Bravo!« Die in der ersten Reihe griffen hier und da in ihre B?rte, keiner kehrte sich wegen des Ausrufs um. Auch K. ma? ihm keine Bedeutung bei, war aber doch aufgemuntert; er hielt es jetzt gar nicht mehr f?r n?tig, da? alle Beifall klatschten, es gen?gte, wenn die Allgemeinheit ?ber die Sache nachzudenken begann und nur manchmal einer durch ?berredung gewonnen wurde.
»Ich will nicht Rednererfolg«, sagte K. aus dieser ?berlegung heraus, »er d?rfte mir auch nicht erreichbar sein. Der Herr Untersuchungsrichter spricht wahrscheinlich viel besser, es geh?rt ja zu seinem Beruf. Was ich will, ist nur die ?ffentliche Besprechung eines ?ffentlichen Mi?standes. H?ren Sie: Ich bin vor etwa zehn Tagen verhaftet worden, ?ber die Tatsache der Verhaftung selbst lache ich, aber das geh?rt jetzt nicht hierher. Ich wurde fr?h im Bett ?berfallen, vielleicht hatte man – es ist nach dem, was der Untersuchungsrichter sagte, nicht ausgeschlossen – den Befehl, irgendeinen Zimmermaler, der ebenso unschuldig ist wie ich, zu verhaften, aber man w?hlte mich. Das Nebenzimmer war von zwei groben W?chtern besetzt. Wenn ich ein gef?hrlicher R?uber w?re, h?tte man nicht bessere Vorsorge treffen k?nnen. Diese W?chter waren ?berdies demoralisiertes Gesindel, sie schw?tzten mir die Ohren voll, sie wollten sich bestechen lassen, sie wollten mir unter Vorspiegelungen W?sche und Kleider herauslocken, sie wollten Geld, um mir angeblich ein Fr?hst?ck zu bringen, nachdem sie mein eigenes Fr?hst?ck vor meinen Augen schamlos aufgegessen hatten. Nicht genug daran. Ich wurde in ein drittes Zimmer vor den Aufseher gef?hrt. Es war das Zimmer einer Dame, die ich sehr sch?tze, und ich mu?te zusehen, wie dieses Zimmer meinetwegen, aber ohne meine Schuld, durch die Anwesenheit der W?chter und des Aufsehers gewisserma?en verunreinigt wurde. Es war nicht leicht, ruhig zu bleiben. Es gelang mir aber, und ich fragte den Aufseher vollst?ndig ruhig – wenn er hier w?re, m??te er es best?tigen –, warum ich verhaftet sei. Was antwortete nun dieser Aufseher, den ich jetzt noch vor mir sehe, wie er auf dem Sessel der erw?hnten Dame als eine Darstellung des stumpfsinnigsten Hochmuts sitzt?
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