rst du mir«, sagte sie.
»Hier hast du den Hausschl?ssel, komm, wann du willst«, waren ihre letzten Worte, und ein zielloser Ku? traf ihn noch im Weggehen auf den R?cken. Als er aus dem Haustor trat, fiel ein leichter Regen, er wollte in die Mitte der Stra?e gehen, um vielleicht Leni noch beim Fenster erblicken zu k?nnen, da st?rzte aus einem Automobil, das vor dem Hause wartete und das K. in seiner Zerstreutheit gar nicht bemerkt hatte, der Onkel, fa?te ihn bei den Armen und stie? ihn gegen das Haustor, als wolle er ihn dort festnageln. »Junge«, rief er, »wie konntest du nur das tun! Du hast deiner Sache, die auf gutem Wege war, schrecklich geschadet. Verkriechst dich mit einem kleinen, schmutzigen Ding, das ?berdies offensichtlich die Geliebte des Advokaten ist, und bleibst stundenlang weg. Suchst nicht einmal einen Vorwand, verheimlichst nichts, nein, bist ganz offen, l?ufst zu ihr und bleibst bei ihr. Und unterdessen sitzen wir beisammen, der Onkel, der sich f?r dich abm?ht, der Advokat, der f?r dich gewonnen werden soll, der Kanzleidirektor vor allem, dieser gro?e Herr, der deine Sache in ihrem jetzigen Stadium geradezu beherrscht. Wir wollen beraten, wie dir zu helfen w?re, ich mu? den Advokaten vorsichtig behandeln, dieser wieder den Kanzleidirektor, und du h?ttest doch allen Grund, mich wenigstens zu unterst?tzen. Statt dessen bleibst du fort. Schlie?lich l??t es sich nicht verheimlichen, nun, es sind h?fliche, gewandte M?nner, sie sprechen nicht davon, sie schonen mich, schlie?lich k?nnen aber auch sie sich nicht mehr ?berwinden, und da sie von der Sache nicht reden k?nnen, verstummen sie. Wir sind minutenlang schweigend dagesessen und haben gehorcht, ob du nicht doch endlich k?mest. Alles vergebens. Endlich steht der Kanzleidirektor, der viel l?nger geblieben ist, als er urspr?nglich wollte, auf, verabschiedet sich, bedauert mich sichtlich, ohne mir helfen zu k?nnen, wartet in unbegreiflicher Liebensw?rdigkeit noch eine Zeitlang in der T?r, dann geht er. Ich war nat?rlich gl?cklich, da? er weg war, mir war schon die Luft zum Atmen ausgegangen. Auf den kranken Advokaten hat alles noch st?rker eingewirkt, er konnte, der gute Mann, gar nicht sprechen, als ich mich von ihm verabschiedete. Du hast wahrscheinlich zu seinem vollst?ndigen Zusammenbrechen beigetragen und beschleunigst so den Tod eines Mannes, auf den du angewiesen bist. Und mich, deinen Onkel, l??t du hier im Regen – f?hle nur, ich bin ganz durchn??t – stundenlang warten und mich in Sorgen abqu?len.
Siebentes KapitelAdvokat, Fabrikant, Maler
An einem Wintervormittag – drau?en fiel Schnee im tr?ben Licht – sa? K., trotz der fr?hen Stunde schon ?u?erst m?de, in seinem B?ro. Um sich wenigstens vor den unteren Beamten zu sch?tzen, hatte er dem Diener den Auftrag gegeben, niemanden von ihnen einzulassen, da er mit einer gr??eren Arbeit besch?ftigt sei. Aber statt zu arbeiten, drehte er sich in seinem Sessel, verschob langsam einige Gegenst?nde auf dem Tisch, lie? dann aber, ohne es zu wissen, den ganzen Arm ausgestreckt auf der Tischplatte liegen und blieb mit gesenktem Kopf unbeweglich sitzen.
Der Gedanke an den Proze? verlie? ihn nicht mehr. ?fters schon hatte er ?berlegt, ob es nicht gut w?re, eine Verteidigungsschrift auszuarbeiten und bei Gericht einzureichen. Er wollte darin eine kurze Lebensbeschreibung vorlegen und bei jedem irgendwie wichtigeren Ereignis erkl?ren, aus welchen Gr?nden er so gehandelt hatte, ob diese Handlungsweise nach seinem gegenw?rtigen Urteil zu verwerfen oder zu billigen war und welche Gr?nde er f?r dieses oder jenes anf?hren konnte. Die Vorteile einer solchen Verteidigungsschrift gegen?ber der blo?en Verteidigung durch den ?brigens auch sonst nicht einwandfreien Advokaten waren zweifellos. K. wu?te ja gar nicht, was der Advokat unternahm; viel war es jedenfalls nicht, schon einen Monat lang hatte er ihn nicht mehr zu sich berufen, und auch bei keiner der fr?heren Besprechungen hatte K. den Eindruck gehabt, da? dieser Mann viel f?r ihn erreichen k?nne. Vor allem hatte er ihn fast gar nicht ausgefragt. Und hier war doch so viel zu fragen. Fragen war die Hauptsache. K. hatte das Gef?hl, als ob er selbst alle hier n?tigen Fragen stellen k?nnte. Der Advokat dagegen, statt zu fragen, erz?hlte selbst oder sa? ihm stumm gegen?ber, beugte sich, wahrscheinlich wegen seines schwachen Geh?rs, ein wenig ?ber den Schreibtisch vor, zog an einem Bartstrahn innerhalb seines Bartes und blickte auf den Teppich nieder, vielleicht gerade auf die Stelle, wo K. mit Leni gelegen war. Hier und da gab er K. einige leere Ermahnungen, wie man sie Kindern gibt. Ebenso nutzlose wie langweilige Reden, die K. in der Schlu?abrechnung mit keinem Heller zu bezahlen gedachte. Nachdem der Advokat ihn gen?gend gedem?tigt zu haben glaubte, fing er gew?hnlich an, ihn wieder ein wenig aufzumuntern. Er habe schon, erz?hlte er dann, viele ?hnliche Prozesse ganz oder teilweise gewonnen. Prozesse, die, wenn auch in Wirklichkeit vielleicht nicht so schwierig wie dieser, ?u?erlich noch hoffnungsloser waren. Ein Verzeichnis dieser Prozesse habe er hier in der Schublade – hierbei klopfte er an irgendeine Lade des Tisches –, die Schriften k?nne er leider nicht zeigen, da es sich um Amtsgeheimnisse handle. Trotzdem komme jetzt nat?rlich die gro?e Erfahrung, die er durch alle diese Prozesse erworben habe, K. zugute. Er habe nat?rlich sofort zu arbeiten begonnen, und die erste Eingabe sei schon fast fertiggestellt. Sie sei sehr wichtig, weil der erste Eindruck, den die Verteidigung mache, oft die ganze Richtung des Verfahrens bestimme. Leider, darauf m?sse er K. allerdings aufmerksam machen, geschehe es manchmal, da? die ersten Eingaben bei Gericht gar nicht gelesen w?rden. Man lege sie einfach zu den Akten und weise darauf hin, da? vorl?ufig die Einvernahme und Beobachtung des Angeklagten wichtiger sei als alles Geschriebene. Man f?gt, wenn der Petent dringlich wird, hinzu, da? man vor der Entscheidung, sobald alles Material gesammelt ist, im Zusammenhang nat?rlich, alle Akten, also auch diese erste Eingabe, ?berpr?fen wird. Leider sei aber auch dies meistens nicht richtig, die erste Eingabe werde gew?hnlich verlegt oder gehe g?nzlich verloren, und selbst wenn sie bis zum Ende erhalten bleibt, werde sie, wie der Advokat allerdings nur ger?chtweise erfahren hat, kaum gelesen. Das alles sei bedauerlich, aber nicht ganz ohne Berechtigung. K. m?ge doch nicht au?er acht lassen, da? das Verfahren nicht ?ffentlich sei, es kann, wenn das Gericht es f?r n?tig h?lt, ?ffentlich werden, das Gesetz aber schreibt ?ffentlichkeit nicht vor. Infolgedessen sind auch die Schriften des Gerichts, vor allem die Anklageschrift, dem Angeklagten und seiner Verteidigung unzug?nglich, man wei? daher im allgemeinen nicht oder wenigstens nicht genau, wogegen sich die erste Eingabe zu richten hat, sie kann daher eigentlich nur zuf?lligerweise etwas enthalten, was f?r die Sache von Bedeutung ist. Wirklich zutreffende und beweisf?hrende Eingaben kann man erst sp?ter ausarbeiten, wenn im Laufe der Einvernahmen des Angeklagten die einzelnen Anklagepunkte und ihre Begr?ndung deutlicher hervortreten oder erraten werden k?nnen. Unter diesen Verh?ltnissen ist nat?rlich die Verteidigung in einer sehr ung?nstigen und schwierigen Lage. Aber auch das ist beabsichtigt. Die Verteidigung ist n?mlich durch das Gesetz nicht eigentlich gestattet, sondern nur geduldet, und selbst dar?ber, ob aus der betreffenden Gesetzesstelle wenigstens Duldung herausgelesen werden soll, besteht Streit. Es gibt daher strenggenommen gar keine vom Gericht anerkannten Advokaten, alle, die vor diesem Gericht als Advokaten auftreten, sind im Grunde nur Winkeladvokaten. Das wirkt nat?rlich auf den ganzen Stand sehr entw?rdigend ein, und wenn K. n?chstens einmal in die Gerichtskanzleien gehen werde, k?nne er sich ja, um auch das einmal gesehen zu haben, das Advokatenzimmer ansehen. Er werde vor der Gesellschaft, die dort beisammen sei, vermutlich erschrecken. Schon die ihnen zugewiesene enge, niedrige Kammer zeige die Verachtung, die das Gericht f?r diese Leute hat. Licht bekommt die Kammer nur durch eine kleine Luke, die so hochgelegen ist, da? man, wenn man hinausschauen will, wo einem ?brigens der Rauch eines knapp davor gelegenen Kamins in die Nase f?hrt und das Gesicht schw?rzt, erst einen Kollegen suchen mu?, der einen auf den R?cken nimmt. Im Fu?boden dieser Kammer – um nur noch ein Beispiel f?r diese Zust?nde anzuf?hren – ist nun schon seit mehr als einem Jahr ein Loch, nicht so gro?, da? ein Mensch durchfallen k?nnte, aber gro? genug, da? man mit einem Bein ganz einsinkt. Das Advokatenzimmer liegt auf dem zweiten Dachboden; sinkt also einer ein, so h?ngt das Bein in den ersten Dachboden hinunter, und zwar gerade in den Gang, wo die Parteien warten. Es ist nicht zuviel gesagt, wenn man in Advokatenkreisen solche Verh?ltnisse sch?ndlich nennt. Beschwerden an die Verwaltung haben nicht den geringsten Erfolg, wohl aber ist es den Advokaten auf das strengste verboten, irgend etwas in dem Zimmer auf eigene Kosten ?ndern zu lassen. Aber auch diese Behandlung der Advokaten hat ihre Begr?ndung. Man will die Verteidigung m?glichst ausschalten, alles soll auf den Angeklagten selbst gestellt sein. Kein schlechter Standpunkt im Grunde, nichts w?re aber verfehlter, als daraus zu folgern, da? bei diesem Gericht die Advokaten f?r den Angeklagten unn?tig sind. Im Gegenteil, bei keinem anderen Gericht sind sie so notwendig wie bei diesem. Das Verfahren ist n?mlich im allgemeinen nicht nur vor der ?ffentlichkeit geheim, sondern auch vor dem Angeklagten. Nat?rlich nur soweit dies m?glich ist, es ist aber in sehr weitem Ausma? m?glich. Auch der Angeklagte hat n?mlich keinen Einblick in die Gerichtsschriften, und aus den Verh?ren auf die ihnen zugrunde liegenden Schriften zu schlie?en, ist sehr schwierig, insbesondere aber f?r den Angeklagten, der doch befangen ist und alle m?glichen Sorgen hat, die ihn zerstreuen. Hier greift nun die Verteidigung ein. Bei den Verh?ren d?rfen im allgemeinen Verteidiger nicht anwesend sein, sie m?ssen daher nach den Verh?ren, und zwar m?glichst noch an der T?r des Untersuchungszimmers, den Angeklagten ?ber das Verh?r ausforschen und diesen oft schon sehr verwischten Berichten das f?r die Verteidigung Taugliche entnehmen. Aber das Wichtigste ist dies nicht, denn viel kann man auf diese Weise nicht erfahren, wenn nat?rlich auch hier wie ?berall ein t?chtiger Mann mehr erf?hrt als andere. Das Wichtigste bleiben trotzdem die pers?nlichen Beziehungen des Advokaten, in ihnen liegt der Hauptwert der Verteidigung. Nun habe ja wohl K. schon seinen eigenen Erlebnissen entnommen, da? die allerunterste Organisation des Gerichtes nicht ganz vollkommen ist, pflichtvergessene und bestechliche Angestellte aufweist, wodurch gewisserma?en die strenge Abschlie?ung des Gerichtes L?cken bekommt. Hier nun dr?ngt sich die Mehrzahl der Advokaten ein, hier wird bestochen und ausgehorcht, ja es kamen, wenigstens in fr?herer Zeit, sogar F?lle von Aktendiebst?hlen vor. Es ist nicht zu leugnen, da? auf diese Weise f?r den Augenblick einige sogar ?berraschend g?nstige Resultate f?r den Angeklagten sich erzielen lassen, damit stolzieren auch diese kleinen Advokaten herum und locken neue Kundschaft an, aber f?r den weiteren Fortgang des Prozesses bedeutet es entweder nichts oder nichts Gutes. Wirklichen Wert aber haben nur ehrliche pers?nliche Beziehungen, und zwar mit h?heren Beamten, womit nat?rlich nur h?here Beamten der unteren Grade gemeint sind. Nur dadurch kann der Fortgang des Prozesses, wenn auch zun?chst nur unmerklich, sp?ter aber immer deutlicher beeinflu?t werden. Das k?nnen nat?rlich nur wenige Advokaten, und hier sei die Wahl K.s sehr g?nstig gewesen. Nur noch vielleicht ein oder zwei Advokaten k?nnten sich mit ?hnlichen Beziehungen ausweisen wie Dr. Huld. Diese k?mmern sich allerdings um die Gesellschaft im Advokatenzimmer nicht und haben auch nichts mit ihr zu tun.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38
»Hier hast du den Hausschl?ssel, komm, wann du willst«, waren ihre letzten Worte, und ein zielloser Ku? traf ihn noch im Weggehen auf den R?cken. Als er aus dem Haustor trat, fiel ein leichter Regen, er wollte in die Mitte der Stra?e gehen, um vielleicht Leni noch beim Fenster erblicken zu k?nnen, da st?rzte aus einem Automobil, das vor dem Hause wartete und das K. in seiner Zerstreutheit gar nicht bemerkt hatte, der Onkel, fa?te ihn bei den Armen und stie? ihn gegen das Haustor, als wolle er ihn dort festnageln. »Junge«, rief er, »wie konntest du nur das tun! Du hast deiner Sache, die auf gutem Wege war, schrecklich geschadet. Verkriechst dich mit einem kleinen, schmutzigen Ding, das ?berdies offensichtlich die Geliebte des Advokaten ist, und bleibst stundenlang weg. Suchst nicht einmal einen Vorwand, verheimlichst nichts, nein, bist ganz offen, l?ufst zu ihr und bleibst bei ihr. Und unterdessen sitzen wir beisammen, der Onkel, der sich f?r dich abm?ht, der Advokat, der f?r dich gewonnen werden soll, der Kanzleidirektor vor allem, dieser gro?e Herr, der deine Sache in ihrem jetzigen Stadium geradezu beherrscht. Wir wollen beraten, wie dir zu helfen w?re, ich mu? den Advokaten vorsichtig behandeln, dieser wieder den Kanzleidirektor, und du h?ttest doch allen Grund, mich wenigstens zu unterst?tzen. Statt dessen bleibst du fort. Schlie?lich l??t es sich nicht verheimlichen, nun, es sind h?fliche, gewandte M?nner, sie sprechen nicht davon, sie schonen mich, schlie?lich k?nnen aber auch sie sich nicht mehr ?berwinden, und da sie von der Sache nicht reden k?nnen, verstummen sie. Wir sind minutenlang schweigend dagesessen und haben gehorcht, ob du nicht doch endlich k?mest. Alles vergebens. Endlich steht der Kanzleidirektor, der viel l?nger geblieben ist, als er urspr?nglich wollte, auf, verabschiedet sich, bedauert mich sichtlich, ohne mir helfen zu k?nnen, wartet in unbegreiflicher Liebensw?rdigkeit noch eine Zeitlang in der T?r, dann geht er. Ich war nat?rlich gl?cklich, da? er weg war, mir war schon die Luft zum Atmen ausgegangen. Auf den kranken Advokaten hat alles noch st?rker eingewirkt, er konnte, der gute Mann, gar nicht sprechen, als ich mich von ihm verabschiedete. Du hast wahrscheinlich zu seinem vollst?ndigen Zusammenbrechen beigetragen und beschleunigst so den Tod eines Mannes, auf den du angewiesen bist. Und mich, deinen Onkel, l??t du hier im Regen – f?hle nur, ich bin ganz durchn??t – stundenlang warten und mich in Sorgen abqu?len.
Siebentes KapitelAdvokat, Fabrikant, Maler
An einem Wintervormittag – drau?en fiel Schnee im tr?ben Licht – sa? K., trotz der fr?hen Stunde schon ?u?erst m?de, in seinem B?ro. Um sich wenigstens vor den unteren Beamten zu sch?tzen, hatte er dem Diener den Auftrag gegeben, niemanden von ihnen einzulassen, da er mit einer gr??eren Arbeit besch?ftigt sei. Aber statt zu arbeiten, drehte er sich in seinem Sessel, verschob langsam einige Gegenst?nde auf dem Tisch, lie? dann aber, ohne es zu wissen, den ganzen Arm ausgestreckt auf der Tischplatte liegen und blieb mit gesenktem Kopf unbeweglich sitzen.
Der Gedanke an den Proze? verlie? ihn nicht mehr. ?fters schon hatte er ?berlegt, ob es nicht gut w?re, eine Verteidigungsschrift auszuarbeiten und bei Gericht einzureichen. Er wollte darin eine kurze Lebensbeschreibung vorlegen und bei jedem irgendwie wichtigeren Ereignis erkl?ren, aus welchen Gr?nden er so gehandelt hatte, ob diese Handlungsweise nach seinem gegenw?rtigen Urteil zu verwerfen oder zu billigen war und welche Gr?nde er f?r dieses oder jenes anf?hren konnte. Die Vorteile einer solchen Verteidigungsschrift gegen?ber der blo?en Verteidigung durch den ?brigens auch sonst nicht einwandfreien Advokaten waren zweifellos. K. wu?te ja gar nicht, was der Advokat unternahm; viel war es jedenfalls nicht, schon einen Monat lang hatte er ihn nicht mehr zu sich berufen, und auch bei keiner der fr?heren Besprechungen hatte K. den Eindruck gehabt, da? dieser Mann viel f?r ihn erreichen k?nne. Vor allem hatte er ihn fast gar nicht ausgefragt. Und hier war doch so viel zu fragen. Fragen war die Hauptsache. K. hatte das Gef?hl, als ob er selbst alle hier n?tigen Fragen stellen k?nnte. Der Advokat dagegen, statt zu fragen, erz?hlte selbst oder sa? ihm stumm gegen?ber, beugte sich, wahrscheinlich wegen seines schwachen Geh?rs, ein wenig ?ber den Schreibtisch vor, zog an einem Bartstrahn innerhalb seines Bartes und blickte auf den Teppich nieder, vielleicht gerade auf die Stelle, wo K. mit Leni gelegen war. Hier und da gab er K. einige leere Ermahnungen, wie man sie Kindern gibt. Ebenso nutzlose wie langweilige Reden, die K. in der Schlu?abrechnung mit keinem Heller zu bezahlen gedachte. Nachdem der Advokat ihn gen?gend gedem?tigt zu haben glaubte, fing er gew?hnlich an, ihn wieder ein wenig aufzumuntern. Er habe schon, erz?hlte er dann, viele ?hnliche Prozesse ganz oder teilweise gewonnen. Prozesse, die, wenn auch in Wirklichkeit vielleicht nicht so schwierig wie dieser, ?u?erlich noch hoffnungsloser waren. Ein Verzeichnis dieser Prozesse habe er hier in der Schublade – hierbei klopfte er an irgendeine Lade des Tisches –, die Schriften k?nne er leider nicht zeigen, da es sich um Amtsgeheimnisse handle. Trotzdem komme jetzt nat?rlich die gro?e Erfahrung, die er durch alle diese Prozesse erworben habe, K. zugute. Er habe nat?rlich sofort zu arbeiten begonnen, und die erste Eingabe sei schon fast fertiggestellt. Sie sei sehr wichtig, weil der erste Eindruck, den die Verteidigung mache, oft die ganze Richtung des Verfahrens bestimme. Leider, darauf m?sse er K. allerdings aufmerksam machen, geschehe es manchmal, da? die ersten Eingaben bei Gericht gar nicht gelesen w?rden. Man lege sie einfach zu den Akten und weise darauf hin, da? vorl?ufig die Einvernahme und Beobachtung des Angeklagten wichtiger sei als alles Geschriebene. Man f?gt, wenn der Petent dringlich wird, hinzu, da? man vor der Entscheidung, sobald alles Material gesammelt ist, im Zusammenhang nat?rlich, alle Akten, also auch diese erste Eingabe, ?berpr?fen wird. Leider sei aber auch dies meistens nicht richtig, die erste Eingabe werde gew?hnlich verlegt oder gehe g?nzlich verloren, und selbst wenn sie bis zum Ende erhalten bleibt, werde sie, wie der Advokat allerdings nur ger?chtweise erfahren hat, kaum gelesen. Das alles sei bedauerlich, aber nicht ganz ohne Berechtigung. K. m?ge doch nicht au?er acht lassen, da? das Verfahren nicht ?ffentlich sei, es kann, wenn das Gericht es f?r n?tig h?lt, ?ffentlich werden, das Gesetz aber schreibt ?ffentlichkeit nicht vor. Infolgedessen sind auch die Schriften des Gerichts, vor allem die Anklageschrift, dem Angeklagten und seiner Verteidigung unzug?nglich, man wei? daher im allgemeinen nicht oder wenigstens nicht genau, wogegen sich die erste Eingabe zu richten hat, sie kann daher eigentlich nur zuf?lligerweise etwas enthalten, was f?r die Sache von Bedeutung ist. Wirklich zutreffende und beweisf?hrende Eingaben kann man erst sp?ter ausarbeiten, wenn im Laufe der Einvernahmen des Angeklagten die einzelnen Anklagepunkte und ihre Begr?ndung deutlicher hervortreten oder erraten werden k?nnen. Unter diesen Verh?ltnissen ist nat?rlich die Verteidigung in einer sehr ung?nstigen und schwierigen Lage. Aber auch das ist beabsichtigt. Die Verteidigung ist n?mlich durch das Gesetz nicht eigentlich gestattet, sondern nur geduldet, und selbst dar?ber, ob aus der betreffenden Gesetzesstelle wenigstens Duldung herausgelesen werden soll, besteht Streit. Es gibt daher strenggenommen gar keine vom Gericht anerkannten Advokaten, alle, die vor diesem Gericht als Advokaten auftreten, sind im Grunde nur Winkeladvokaten. Das wirkt nat?rlich auf den ganzen Stand sehr entw?rdigend ein, und wenn K. n?chstens einmal in die Gerichtskanzleien gehen werde, k?nne er sich ja, um auch das einmal gesehen zu haben, das Advokatenzimmer ansehen. Er werde vor der Gesellschaft, die dort beisammen sei, vermutlich erschrecken. Schon die ihnen zugewiesene enge, niedrige Kammer zeige die Verachtung, die das Gericht f?r diese Leute hat. Licht bekommt die Kammer nur durch eine kleine Luke, die so hochgelegen ist, da? man, wenn man hinausschauen will, wo einem ?brigens der Rauch eines knapp davor gelegenen Kamins in die Nase f?hrt und das Gesicht schw?rzt, erst einen Kollegen suchen mu?, der einen auf den R?cken nimmt. Im Fu?boden dieser Kammer – um nur noch ein Beispiel f?r diese Zust?nde anzuf?hren – ist nun schon seit mehr als einem Jahr ein Loch, nicht so gro?, da? ein Mensch durchfallen k?nnte, aber gro? genug, da? man mit einem Bein ganz einsinkt. Das Advokatenzimmer liegt auf dem zweiten Dachboden; sinkt also einer ein, so h?ngt das Bein in den ersten Dachboden hinunter, und zwar gerade in den Gang, wo die Parteien warten. Es ist nicht zuviel gesagt, wenn man in Advokatenkreisen solche Verh?ltnisse sch?ndlich nennt. Beschwerden an die Verwaltung haben nicht den geringsten Erfolg, wohl aber ist es den Advokaten auf das strengste verboten, irgend etwas in dem Zimmer auf eigene Kosten ?ndern zu lassen. Aber auch diese Behandlung der Advokaten hat ihre Begr?ndung. Man will die Verteidigung m?glichst ausschalten, alles soll auf den Angeklagten selbst gestellt sein. Kein schlechter Standpunkt im Grunde, nichts w?re aber verfehlter, als daraus zu folgern, da? bei diesem Gericht die Advokaten f?r den Angeklagten unn?tig sind. Im Gegenteil, bei keinem anderen Gericht sind sie so notwendig wie bei diesem. Das Verfahren ist n?mlich im allgemeinen nicht nur vor der ?ffentlichkeit geheim, sondern auch vor dem Angeklagten. Nat?rlich nur soweit dies m?glich ist, es ist aber in sehr weitem Ausma? m?glich. Auch der Angeklagte hat n?mlich keinen Einblick in die Gerichtsschriften, und aus den Verh?ren auf die ihnen zugrunde liegenden Schriften zu schlie?en, ist sehr schwierig, insbesondere aber f?r den Angeklagten, der doch befangen ist und alle m?glichen Sorgen hat, die ihn zerstreuen. Hier greift nun die Verteidigung ein. Bei den Verh?ren d?rfen im allgemeinen Verteidiger nicht anwesend sein, sie m?ssen daher nach den Verh?ren, und zwar m?glichst noch an der T?r des Untersuchungszimmers, den Angeklagten ?ber das Verh?r ausforschen und diesen oft schon sehr verwischten Berichten das f?r die Verteidigung Taugliche entnehmen. Aber das Wichtigste ist dies nicht, denn viel kann man auf diese Weise nicht erfahren, wenn nat?rlich auch hier wie ?berall ein t?chtiger Mann mehr erf?hrt als andere. Das Wichtigste bleiben trotzdem die pers?nlichen Beziehungen des Advokaten, in ihnen liegt der Hauptwert der Verteidigung. Nun habe ja wohl K. schon seinen eigenen Erlebnissen entnommen, da? die allerunterste Organisation des Gerichtes nicht ganz vollkommen ist, pflichtvergessene und bestechliche Angestellte aufweist, wodurch gewisserma?en die strenge Abschlie?ung des Gerichtes L?cken bekommt. Hier nun dr?ngt sich die Mehrzahl der Advokaten ein, hier wird bestochen und ausgehorcht, ja es kamen, wenigstens in fr?herer Zeit, sogar F?lle von Aktendiebst?hlen vor. Es ist nicht zu leugnen, da? auf diese Weise f?r den Augenblick einige sogar ?berraschend g?nstige Resultate f?r den Angeklagten sich erzielen lassen, damit stolzieren auch diese kleinen Advokaten herum und locken neue Kundschaft an, aber f?r den weiteren Fortgang des Prozesses bedeutet es entweder nichts oder nichts Gutes. Wirklichen Wert aber haben nur ehrliche pers?nliche Beziehungen, und zwar mit h?heren Beamten, womit nat?rlich nur h?here Beamten der unteren Grade gemeint sind. Nur dadurch kann der Fortgang des Prozesses, wenn auch zun?chst nur unmerklich, sp?ter aber immer deutlicher beeinflu?t werden. Das k?nnen nat?rlich nur wenige Advokaten, und hier sei die Wahl K.s sehr g?nstig gewesen. Nur noch vielleicht ein oder zwei Advokaten k?nnten sich mit ?hnlichen Beziehungen ausweisen wie Dr. Huld. Diese k?mmern sich allerdings um die Gesellschaft im Advokatenzimmer nicht und haben auch nichts mit ihr zu tun.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38