ТВОРЧЕСТВО

ПОЗНАНИЕ

А  Б  В  Г  Д  Е  Ж  З  И  Й  К  Л  М  Н  О  П  Р  С  Т  У  Ф  Х  Ц  Ч  Ш  Щ  Э  Ю  Я  AZ

 

»Es ist leider nicht sehr viel, was ich Ihnen mitteilen kann. Aber in solchen Dingen soll man nicht das geringste vernachl?ssigen. Au?erdem dr?ngt es mich aber, Ihnen irgendwie zu helfen, und sei meine Hilfe noch so bescheiden. Wir waren doch bisher gute Gesch?ftsfreunde, nicht? Nun also.« K. wollte sich wegen seines Verhaltens bei der heutigen Besprechung entschuldigen, aber der Fabrikant duldete keine Unterbrechung, schob die Aktentasche hoch unter die Achsel, um zu zeigen, da? er Eile habe, und fuhr fort: »Von Ihrem Proze? wei? ich durch einen gewissen Titorelli. Es ist ein Maler, Titorelli ist nur sein K?nstlername, seinen wirklichen Namen kenne ich gar nicht einmal. Er kommt schon seit Jahren von Zeit zu Zeit in mein B?ro und bringt kleine Bilder mit, f?r die ich ihm – er ist fast ein Bettler – immer eine Art Almosen gebe. Es sind ?brigens h?bsche Bilder, Heidelandschaften und dergleichen. Diese Verk?ufe – wir hatten uns schon beide daran gew?hnt – gingen ganz glatt vor sich. Einmal aber wiederholten sich diese Besuche doch zu oft, ich machte ihm Vorw?rfe, wir kamen ins Gespr?ch, es interessierte mich, wie er sich allein durch Malen erhalten k?nne, und ich erfuhr nun zu meinem Staunen, da? seine Haupteinnahmequelle das Portr?tmalen sei. ›Er arbeite f?r das Gericht‹, sagte er. ›F?r welches Gericht‹? fragte ich. Und nun erz?hlte er mir von dem Gericht. Sie werden sich wohl am besten vorstellen k?nnen, wie erstaunt ich ?ber diese Erz?hlungen war. Seitdem h?re ich bei jedem seiner Besuche irgendwelche Neuigkeiten vom Gericht und bekomme so allm?hlich einen gewissen Einblick in die Sache. Allerdings ist Titorelli geschw?tzig, und ich mu? ihn oft abwehren, nicht nur, weil er gewi? auch l?gt, sondern vor allem, weil ein Gesch?ftsmann wie ich, der unter den eigenen Gesch?ftssorgen fast zusammenbricht, sich nicht noch viel um fremde Dinge k?mmern kann. Aber das nur nebenbei. Vielleicht – so dachte ich jetzt – kann Ihnen Titorelli ein wenig behilflich sein, er kennt viele Richter, und wenn er selbst auch keinen gro?en Einflu? haben sollte, so kann er Ihnen doch Ratschl?ge geben, wie man verschiedenen einflu?reichen Leuten beikommen kann. Und wenn auch diese Ratschl?ge an und f?r sich nicht entscheidend sein sollten, so werden sie doch, meiner Meinung nach, in Ihrem Besitz von gro?er Bedeutung sein. Sie sind ja fast ein Advokat. Ich pflege immer zu sagen: Prokurist K. ist fast ein Advokat. Oh, ich habe keine Sorgen wegen Ihres Prozesses. Wollen Sie nun aber zu Titorelli gehen? Auf meine Empfehlung hin wird er gewi? alles tun, was ihm m?glich ist. Ich denke wirklich, Sie sollten hingehen. Es mu? nat?rlich nicht heute sein, einmal, gelegentlich. Allerdings sind Sie – das will ich noch sagen – dadurch, da? ich Ihnen diesen Rat gebe, nicht im geringsten verpflichtet, auch wirklich zu Titorelli hinzugehen. Nein, wenn Sie Titorelli entbehren zu k?nnen glauben, ist es gewi? besser, ihn ganz beiseite zu lassen. Vielleicht haben Sie schon einen ganz genauen Plan, und Titorelli k?nnte ihn st?ren. Nein, dann gehen Sie nat?rlich auf keinen Fall hin! Es kostet gewi? auch ?berwindung, sich von einem solchen Burschen Ratschl?ge geben zu lassen. Nun, wie Sie wollen. Hier ist das Empfehlungsschreiben und hier die Adresse.«
Entt?uscht nahm K. den Brief und steckte ihn in die Tasche. Selbst im g?nstigsten Falle war der Vorteil, den ihm die Empfehlung bringen konnte, unverh?ltnism??ig kleiner als der Schaden, der darin lag, da? der Fabrikant von seinem Proze? wu?te und da? der Maler die Nachricht weiterverbreitete. Er konnte sich kaum dazu zwingen, dem Fabrikanten, der schon auf dem Weg zur T?r war, mit ein paar Worten zu danken. »Ich werde hingehen«, sagte er, als er sich bei der T?r vom Fabrikanten verabschiedete, »oder ihm, da ich jetzt sehr besch?ftigt bin, schreiben, er m?ge einmal zu mir ins B?ro kommen.« »Ich wu?te ja«, sagte der Fabrikant, »da? Sie den besten Ausweg finden w?rden. Allerdings dachte ich, da? Sie es lieber vermeiden wollen, Leute wie diesen Titorelli in die Bank einzuladen, um mit ihm hier ?ber den Proze? zu sprechen. Es ist auch nicht immer vorteilhaft, Briefe an solche Leute aus der Hand zu geben. Aber Sie haben gewi? alles durchgedacht und wissen, was Sie tun d?rfen.« K. nickte und begleitete den Fabrikanten noch durch das Vorzimmer. Aber trotz ?u?erlicher Ruhe war er ?ber sich sehr erschrocken; da? er Titorelli schreiben w?rde, hatte er eigentlich nur gesagt, um dem Fabrikanten irgendwie zu zeigen, da? er die Empfehlung zu sch?tzen wisse und die M?glichkeiten, mit Titorelli zusammenzukommen, sofort ?berlege, aber wenn er Titorellis Beistand f?r wertvoll angesehen h?tte, h?tte er auch nicht gez?gert, ihm wirklich zu schreiben. Die Gefahren aber, die das zur Folge haben k?nnte, hatte er erst durch die Bemerkung des Fabrikanten erkannt. Konnte er sich auf seinen eigenen Verstand tats?chlich schon so wenig verlassen? Wenn es m?glich war, da? er einen fragw?rdigen Menschen durch einen deutlichen Brief in die Bank einlud, um von ihm, nur durch eine T?r vom Direktor-Stellvertreter getrennt, Ratschl?ge wegen seines Prozesses zu erbitten, war es dann nicht m?glich und sogar sehr wahrscheinlich, da? er auch andere Gefahren ?bersah oder in sie hineinrannte? Nicht immer stand jemand neben ihm, um ihn zu warnen. Und gerade jetzt, wo er mit gesammelten Kr?ften auftreten sollte, mu?ten derartige, ihm bisher fremde Zweifel an seiner eigenen Wachsamkeit auftreten! Sollten die Schwierigkeiten, die er bei Ausf?hrung seiner B?roarbeit f?hlte, nun auch im Proze? beginnen? Jetzt allerdings begriff er es gar nicht mehr, wie es m?glich gewesen war, da? er an Titorelli hatte schreiben und ihn in die Bank einladen wollen.
Er sch?ttelte noch den Kopf dar?ber, als der Diener an seine Seite trat und ihn auf drei Herren aufmerksam machte, die hier im Vorzimmer auf einer Bank sa?en. Sie warteten schon lange darauf, zu K. vorgelassen zu werden. Jetzt, da der Diener mit K. sprach, waren sie aufgestanden, und jeder wollte eine g?nstige Gelegenheit ausn?tzen, um sich vor den anderen an K. heranzumachen. Da man von seiten der Bank so r?cksichtslos war, sie hier im Wartezimmer ihre Zeit verlieren zu lassen, wollten auch sie keine R?cksicht mehr ?ben. »Herr Prokurist«, sagte schon der eine. Aber K. hatte sich vom Diener den Winterrock bringen lassen und sagte, w?hrend er ihn mit Hilfe des Dieners anzog, allen dreien: »Verzeihen Sie, meine Herren, ich habe augenblicklich leider keine Zeit, Sie zu empfangen. Ich bitte Sie sehr um Verzeihung, aber ich habe einen dringenden Gesch?ftsgang zu erledigen und mu? sofort weggehen. Sie haben ja selbst gesehen, wie lange ich jetzt aufgehalten wurde. W?ren Sie so freundlich, morgen oder wann immer wiederzukommen? Oder wollen wir die Sachen vielleicht telephonisch besprechen? Oder wollen Sie mir vielleicht jetzt kurz sagen, worum es sich handelt, und ich gebe Ihnen dann eine ausf?hrliche schriftliche Antwort. Am besten w?re es allerdings, Sie k?men n?chstens.« Diese Vorschl?ge K.s brachten die Herren, die nun vollst?ndig nutzlos gewartet haben sollten, in solches Staunen, da? sie einander stumm ansahen. »Wir sind also einig?« fragte K., der sich nach dem Diener umgewendet hatte, der ihm nun auch den Hut brachte. Durch die offene T?r von K.s Zimmer sah man, wie sich drau?en der Schneefall sehr verst?rkt hatte. K. schlug daher den Mantelkragen in die H?he und kn?pfte ihn hoch unter dem Halse zu.
Da trat gerade aus dem Nebenzimmer der Direktor-Stellvertreter, sah l?chelnd K. im Winterrock mit den Herren verhandeln und fragte: »Sie gehen jetzt weg, Herr Prokurist?« »Ja«, sagte K. und richtete sich auf, »ich habe einen Gesch?ftsgang zu machen.« Aber der Direktor-Stellvertreter hatte sich schon den Herren zugewendet. »Und die Herren?« fragte er. »Ich glaube, sie warten schon lange.« »Wir haben uns schon geeinigt«, sagte K. Aber nun lie?en sich die Herren nicht mehr halten, umringten K. und erkl?rten, da? sie nicht stundenlang gewartet h?tten, wenn ihre Angelegenheiten nicht wichtig w?ren und nicht jetzt, und zwar ausf?hrlich und unter vier Augen, besprochen werden m??ten. Der Direktor-Stellvertreter h?rte ihnen ein Weilchen zu, betrachtete auch K., der den Hut in der Hand hielt und ihn stellenweise von Staub reinigte, und sagte dann: »Meine Herren, es gibt ja einen sehr einfachen Ausweg. Wenn Sie mit mir vorlieb nehmen wollen, ?bernehme ich sehr gerne die Verhandlungen statt des Herren Prokuristen. Ihre Angelegenheiten m?ssen nat?rlich sofort besprochen werden. Wir sind Gesch?ftsleute wie Sie und wissen die Zeit von Gesch?ftsleuten richtig zu bewerten. Wollen Sie hier eintreten?« Und er ?ffnete die T?r, die zu dem Vorzimmer seines B?ros f?hrte.
Wie sich doch der Direktor-Stellvertreter alles anzueignen verstand, was K. jetzt notgedrungen aufgeben mu?te! Gab aber K. nicht mehr auf, als unbedingt n?tig war? W?hrend er mit unbestimmten und, wie er sich eingestehen mu?te, sehr geringen Hoffnungen zu einem unbekannten Maler lief, erlitt hier sein Ansehen eine unheilbare Sch?digung. Es w?re wahrscheinlich viel besser gewesen, den Winterrock wieder auszuziehen und wenigstens die zwei Herren, die ja nebenan doch noch warten mu?ten, f?r sich zur?ckzugewinnen. K. h?tte es vielleicht auch versucht, wenn er nicht jetzt in seinem Zimmer den Direktor-Stellvertreter erblickt h?tte, wie er im B?cherst?nder, als w?re es sein eigener, etwas suchte. Als K. sich erregt der T?r n?herte, rief er: »Ach, Sie sind noch nicht weggegangen!« Er wandte ihm sein Gesicht zu, dessen viele straffe Falten nicht Alter, sondern Kraft zu beweisen schienen, und fing sofort wieder zu suchen an. »Ich suche eine Vertragsabschrift«, sagte er, »die sich, wie der Vertreter der Firma behauptet, bei Ihnen befinden soll. Wollen Sie mir nicht suchen helfen?« K. machte einen Schritt, aber der Direktor-Stellvertreter sagte: »Danke, ich habe es schon gefunden«, und kehrte mit einem gro?en Paket Schriften, das nicht nur die Vertragsabschrift, sondern gewi? noch vieles andere enthielt, wieder in sein Zimmer zur?ck.
»Jetzt bin ich ihm nicht gewachsen«, sagte sich K., »wenn aber meine pers?nlichen Schwierigkeiten einmal beseitigt sein werden, dann soll er wahrhaftig der erste sein, der es zu f?hlen bekommt, und zwar m?glichst bitter.« Durch diesen Gedanken ein wenig beruhigt, gab K. dem Diener, der schon lange die T?r zum Korridor f?r ihn offenhielt, den Auftrag, dem Direktor gelegentlich die Meldung zu machen, da? er sich auf einem Gesch?ftsgang befinde, und verlie?, fast gl?cklich dar?ber, sich eine Zeitlang vollst?ndiger seiner Sache widmen zu k?nnen, die Bank.
Er fuhr sofort zum Maler, der in einer Vorstadt wohnte, die jener, in welcher sich die Gerichtskanzleien befanden, vollst?ndig entgegengesetzt war. Es war eine noch ?rmere Gegend, die H?user noch dunkler, die Gassen voll Schmutz, der auf dem zerflossenen Schnee langsam umhertrieb. Im Hause, in dem der Maler wohnte, war nur ein Fl?gel des gro?en Tores ge?ffnet, in den anderen aber war unten in der Mauer eine L?cke gebrochen, aus der gerade, als sich K. n?herte, eine widerliche, gelbe, rauchende Fl?ssigkeit herausscho?, vor der sich einige Ratten in den nahen Kanal fl?chteten. Unten an der Treppe lag ein kleines Kind b?uchlings auf der Erde und weinte, aber man h?rte es kaum infolge des alles ?bert?nenden L?rms, der aus einer Klempnerwerkst?tte auf der anderen Seite des Torganges kam. Die T?r der Werkst?tte war offen, drei Gehilfen standen im Halbkreis um irgendein Werkst?ck, auf das sie mit den H?mmern schlugen. Eine gro?e Platte Wei?blech, die an der Wand hing, warf ein bleiches Licht, das zwischen zwei Gehilfen eindrang und die Gesichter und Arbeitssch?rzen erhellte. K. hatte f?r alles nur einen fl?chtigen Blick, er wollte m?glichst rasch hier fertig werden, nur den Maler mit ein paar Worten ausforschen und sofort wieder in die Bank zur?ckgehen. Wenn er hier nur den kleinsten Erfolg hatte, sollte das auf seine heutige Arbeit in der Bank noch eine gute Wirkung aus?
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